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laubfrosch

Ein Stück historische Natur

Schlatt in Ochtmannien

Von Niklas Golitschek Jahrzehntelang war es zugeschüttet, nun soll es sich wieder zu alter Form entwickeln: das Schlatt in Ochtmannien. Die Stiftung Naturschutz im Landkreis Diepholz setzt sich für die historischen Gewässer ein.

Ochtmannien. So manches Mal ist der Staub in den vergangenen zwei Wochen durch die Ochtmannier Dorfstraße geweht. Gleich gegenüber des Feuerwehrhauses rollten Bagger und Schlepper und verrichten ihre Arbeit auf der Wiesenfläche, die zuletzt überwiegend als Pferdeweide genutzt worden war – sofern möglich.

Denn die Wiese weist einige besondere Eigenschaften auf. „Wirtschaftlich war sie kaum zu nutzen, sie stand immer wieder unter Wasser“, sagt Kai Backhaus von der Stiftung Naturschutz im Landkreis Diepholz. Vor allem im Frühjahr seien oft mehrere Hektar überstaut gewesen, im Sommer und Herbst dagegen war sie meist komplett trocken.

Dafür gibt es einen Grund: Eigentlich handelt es sich bei der Wiese um einen rund 1,1 Hektar großen Schlattbereich. Schlatts haben keinen Kontakt zum Grundwasser sondern füllen sich nur, wenn durch ausreichend Regen das Wasser von oben kommt. Da sie tiefer liegen als die umliegenden Flächen, dienen sie als Sammelbecken. Fließt das Wasser ab, bleiben sie wieder trocken. „Deshalb sind sie so wertvoll“, sagt Backhaus. Vor allem für Amphibien und Pflanzen, die diese wechselhaften Bedingungen gewohnt seien, böten die Schlatts einen Lebensraum. Backhaus äußert außerdem die Hoffnung, dass im Boden noch keimfähige Samen aus der vergangenen Zeit schlummern.

Die Schlatts in der Region sind in der Spät- beziehungsweise Nacheiszeit entstanden. „Durch Eisblöcke, die länger lagen und den Boden runtergedrückt haben“, erläutert Backhaus den neuen Kenntnisstand. Zuvor sei davon ausgegangen worden, dass die Kleingewässer in dieser Zeit durch Verwehungen entstanden seien.

Indem jetzt rund 40 Zentimeter Boden abgetragen werden, soll das Schlatt in Ochtmannien wieder die alte Form erhalten. „Das Gute ist, wir können das Material auf der Fläche lassen“, sagt Backhaus. Da der Höhenunterschied zur Straße rund 80 Zentimeter betrage, könne die Erde von dort in die Fläche reinlaufen. Wichtig sei nur, dass keine Wallungen das Schlatt von den umliegenden Gebieten abtrennen, damit das Oberflächenwasser dort hineinlaufen kann. Dadurch werde ein naturnaher Zustand mit natürlicher Wasserführung erreicht.

Landwirt Ehler Meierhans kennt noch die Geschichten, wie das Schlatt Ochtmannien in seiner ursprünglichen Form geprägt hat. Er ist Vorsitzender der Teilnehmergemeinschaft Ochtmannien-Weseloh und hat sich bereits seit 2002 dafür eingesetzt, die Fläche wieder herzustellen. „Als Kinder konnten wir hier auf zwei Hektar Fläche Schlittschuhlaufen“, erzählt er. Von der Kreuzung aus ist diagonal auch noch immer eine kleine Erhebung erkennbar; Meierhans weiß, was es damit auf sich hat: „Es gab mal den Schulpattweg. Er war die Abkürzung durch das Schlatt zur alten Schule, statt den großen Bogen zu laufen.“

Im Dorf gibt es daher die Erzählung, dass die Kinder früher immer ein Ersatzpaar Schuhe in der Schule hatten. Wenn sie mit nassen Füßen ankamen, konnten sie das trockene Paar nutzen.

In der Dorfchronik hat Meierhans alte Karten gefunden, in denen das Schlatt eingezeichnet ist. 1771 etwa war das „Auge der Landschaft“ noch mit einer Fläche von sechs Hektar vermerkt und beherbergte eine Insel. Nur wenige Meter entfernt, am heutigen Sportplatz, war ein weiteres eingezeichnet. Zahlreiche weitere waren in der Region zu finden. Kai Backhaus von der Stiftung Naturschutz spricht von rund 1000 Schlatts in der Region, die in zehn Teilgebieten auf preußischen Karten erkennbar seien. „Nur noch eine Handvoll ist in natürlichem Zustand“, merkt er an. Die meisten davon lägen in Waldgebieten. Die anderen seien wie das in Ochtmannien häufig zugeschüttet worden, um sie als Wirtschaftsfläche zu nutzen.

Dass das Schlatt nun wiederhergestellt wurde, nachdem sich Meierhans bereits vor fast 20 Jahren erstmals darum bemüht hat, hat viel mit der Flurbereinigung „Ochtmannien-Weseloh“ zu tun. Mit dem neuen Flächenzuschnitt war es möglich, über Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe zur „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ die 26 000 Euro Gesamtkosten zu stemmen. 25 Prozent davon hat die Stiftung Naturschutz übernommen. Für die ist die Flurbereinigung ein hilfreiches Instrument, um die Schlatts wiederherzustellen, sagt Kai Backhaus: „Man gibt ein bisschen und kriegt viel.“

Nach all den Bemühungen freut sich auch Ehler Meierhans, dass das Ziel erreicht ist. „Das macht was mit dem Dorf, wir haben uns einiges aufgebürdet“, erinnert er sich an zahlreiche Gespräche auf den Schützenfesten. Als Landwirt bezeichnet er solche Projekte auch als Eigeninteresse: „Nur wenn es den Tieren und der Natur gut geht, können wir davon leben.“

Während sich die Ochtmannier künftig wieder an ihrem Schlatt erfreuen dürfen, geht für Kai Backhaus die Arbeit noch weiter: Im September sollen in den Flurbereinigungsgebieten Scholen und Engeln-Oerdinghausen die Schlatts Hittloge Moor und Schlatt Wohldheide wiederhergestellt werden. In Schwaförden steht der gleiche Prozess im kommenden Jahr gleich zweimal an. Bereits seit 2015 sind die ersten Schlatts wiederhergestellt. In einer Zwischenbilanz beschreibt Backhaus die Erfahrungen als positiv. Die Entwicklungen sollen nun alle fünf Jahre analysiert werden.

Quelle: Syker Kurier vom 26.07.2020

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